Wie Unternehmen ihren CO₂-Footprint ermitteln

    7 Minuten
    Mär 14, 2024

    Die EU soll bis 2050 klimaneutral werden. Diese ambitionierte politische Ansage wurde mit der Verabschiedung des EU Green Deals verpflichtend und betrifft damit auch die Wirtschaft und Industrie der einzelnen Mitgliedstaaten. Europäische Unternehmen müssen nun rasch Mittel und Wege finden, ihre CO2-Emissionen in den nächsten Jahren sukzessive zu reduzieren. 

    Und als wäre das nicht Herkulesaufgabe genug, ist eine der wichtigsten Vorgaben noch nicht einmal definiert: Was ist überhaupt der CO2-Fußabdruck und wie berechnet man ihn? Welche Herausforderungen muss ein Unternehmen meistern und welche Schritte gehen, um die Weichen erfolgreich Richtung Nachhaltigkeit zu stellen? Einige hilfreiche Denkanstöße und Erfahrungswerte möchte ich in diesem Beitrag mit Ihnen teilen. 

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    Was ist der CO2-Footprint?

    Der CO2-Footprint bezeichnet das Ergebnis einer Emissionsberechnung, bzw. einer CO2-Bilanz. CO2-Footprints kann man für ein ganzes Unternehmen, für Teilbereiche, für Produkte oder auch für einzelne Projekte bzw. Investitionen berechnen. Der CO2-Footprint bildet  jene Menge an Treibhausgasen ab, welche durch eine Aktivität oder einen Prozess freigesetzt werden. Bei der Ermittlung des CO2-Footprints eines Unternehmens kommt es grundsätzlich darauf an, wann und wo die Emissionen anfallen, z.B.:

    • direkt im Produktionsbereich (Unternehmen)
    • durch den Einkauf der benötigten Energie, Produkte und Dienstleistungen
    • im Rahmen der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette (Transport, Logistik), bei Anlieferung von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen sowie beim Transport zum Kunden
    • Dienstreisen, Hotelübernachtung, Veranstaltungen etc., oder
    • bei der Verwendung bzw. Verwertung und Entsorgung der hergestellten Güter (Kunde)

     

    Warum messen Unternehmen ihren CO2-Footprint?

    Für Unternehmen ist der CO2-Footprint das wichtigste Bewertungsinstrument zur Bewertung ihrer Treibhausgasemissionen . Er fließt in die Ökobilanz ein, wird in Nachhaltigkeitsberichten angegeben und bei der Kostenplanung berücksichtigt. Der CO2-Fußabdruck macht sichtbar, in welchen Bereichen Emissionen freigesetzt werden, wo sich Hot Spots in der Fertigungskette befinden und wo Potenzial für Verbesserungen und Einsparungen vorhanden ist. Darüber hinaus bildet er die Grundlage für die Formulierung betrieblicher Klimaziele (z.B. Science Based Targets). 

    Auch für Stakeholder eines Unternehmens gewinnen  Informationen zum CO2-Footprint  zunehmend an Bedeutung:

    • Investoren sehen enorme Wachstums- und Ertragspotenziale in der Förderung nachhaltig agierender Unternehmen.
    • Banken berücksichtigen nach Maßgabe der europäischen Bankenaufsicht sowie geltender EBA-Richtlinien die ESG-Kriterien (Environmental Social Governance). Die Zinsen für einen Kredit bemessen sich unter anderem danach, ob die ESG-Kriterien erfüllt werden bzw. entscheiden diese auch darüber, ob eine Kreditfreigabe überhaupt erfolgt.
    • Kunden fragen immer öfter nach sauberen Produkten und Dienstleistungen und berücksichtigen diesen Aspekt bei ihren Kaufentscheidungen.
    • Einkäufer prüfen zur  Optimierung ihres eigenen CO2-Fußabdrucks die  Klimaschutz-Standards bei Produzenten und Zulieferbetrieben.
    • Junge Talente machen ökologische Bemühungen und grüne Initiativen eines Unternehmens immer mehr zum Entscheidungskriterium für die Wahl ihres zukünftigen Arbeitgebers.

     

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    Wie wird der CO2-Footprint berechnet?

    Die wichtigsten internationalen Standards zur Berechnung des CO2-Fußabdrucks sind das Greenhouse Gas Protocol sowie die ISO-Norm 14064. Diese ordnen Treibhausgasemissionen von Unternehmen aber auch für den öffentlichen Bereich folgenden drei Bereichen zu: 

    • Scope 1: Direkt erzeugte Emissionen aus Brennstoffen im Betrieb bzw. durch Transportaktivitäten sowie flüchtige Emissionen (z.B. unbeabsichtigte Lecks).

    • Scope 2: Emissionen durch zugekaufte Energie, wie beispielsweise Strom, Dampf, Wärme oder Kälte.

    • Scope 3: Alle anderen indirekten Emissionen, die ein Unternehmen im Rahmen seiner Wertschöpfungskette freisetzt. 

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    In 4 Schritten zur aussagekräftigen Treibhausgasbilanz

    Für die Ermittlung einer aussagekräftigen Treibhausgasbilanz empfehlen sich folgende 4 Schritte: 

    Schritt 1: Definieren Sie Ziele und Grenzen

    Definieren Sie die Grenzen Ihres Unternehmens und entscheiden Sie, für welche Scopes der Fußabdruck erstellt wird.

    Schritt 2: Erheben Sie Aktivitätsdaten:

    Ermitteln Sie, welche Ihrer Aktivitäten und Prozesse CO2-Emissionen verursachen und zu welchen Scopes diese gehören.

    Schritt 3: Bestimmen Sie CO2-Emissionsfaktoren:

    Definieren Sie die zu einer Aktivität oder einem Prozess zugehörigen Emissionsfaktoren und bestimmen Sie auf diese Weise, wie CO2-intensiv diese ausfallen.

    Schritt 4: Erstellen Sie Ihre Treibhausgasbilanz:

    Auf Basis der vorangegangenen Schritte können Sie die Emissionen Ihres Unternehmens zu einer aussagekräftigen Treibhausgasbilanz konsolidieren. 

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    Herausforderungen bei der Berechnung des CO2-Fußabdrucks

    Jedes Unternehmen ist anders. Dennoch müssen bei der Berechnung des CO2-Fußabdrucks fast überall dieselben Hürden genommen werden. Folgenden Herausforderungen muss sich jede Organisation früher oder später stellen, wenn es den Weg zu mehr Klimatransparenz und Nachhaltigkeit einschlägt:

    • Unterschiedliche Auslegung von Standards
      Werden Emissionen dem Produkt zugerechnet oder dem Unternehmen? Und wo zieht man den Trennstrich? Diese Problematik stellt sich speziell bei Treibhausgasemissionen, die nicht direkt durch die Herstellung eines Produkts entstehen, wie beispielsweise Dienstreisen. 

      Es gibt viele Ansätze und Herangehensweisen zur Ermittlung des CO2-Fußabdrucks, jedoch ist die Umsetzung von Standards wie dem GHG Protocol bis zu einem gewissen Grad Auslegungssache. Manche Unternehmen beschäftigen sich nur mit den Scope 1 und 2 Emissionen, andere betrachten auch Scope 3, davon manchmal  aber nur ein paar Kategorien. Unternehmensübergreifend vergleichbare Ergebnisse bleiben dadurch meist eine Wunschvorstellung.

    • Mangelnde Datenbasis und -qualität
      Beim Heranziehen von Standards können die Berechnungsmethode und auch die zugrunde liegenden Faktoren zu Problemen führen. Denn obwohl es für Unternehmen schon sehr viele Tools zur einfacheren Berechnung ihres CO2-Fußabdrucks gibt (z.B. von ConClimate, CarbonCare oder KlimAktiv), stellt sich immer die Frage nach der Quelle und Qualität der dafür herangezogenen Daten. 

      Davon sollte man sich nicht abschrecken lassen, denn in der Regel können Unternehmen auf sehr viele Primärdaten zugreifen. Falls nicht, sollte man einfach mit Schätzwerten und groben Berechnungen starten. Auf diese Weise schafft man eine erste Datenbasis, auf der man weiter aufbauen und später solidere Ergebnisse erzielen kann. Ein Start mit Schätzwerten und eine Priorisierung nach Ausgaben, z.B. über eingekaufte Waren, bietet den Vorteil, dass man die Relevanz bestimmter Faktoren einzuschätzen lernt und Gewichtungen vornehmen kann. Ist ein Emissionsfaktor im Vergleich zu anderen sehr klein, dann reichen hier auch in Zukunft grobe Annahmen aus. 

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    • Finden des passenden Emissionsfaktors
      Aufgrund der verschiedenen Informationen und Werte ist es gerade für Laien äußerst schwierig, den passenden Emissionsfaktor, beispielsweise für ein Abfallprodukt oder einen bestimmten Rohstoff, zu finden. Unabhängig von der Materialgüte kann bei der vorgelagerten Wertschöpfungskette von Stahl oder bei Treibstoffen sehr schwer nachvollzogen werden, was alles in die Berechnung miteinfließen muss.

      Man kann versuchen reale Daten der Lieferanten zu erheben (Primärdaten). Wenn diese nicht  verfügbar sind sollte man diese mit Werten aus bestehenden Datenbanken für Sekundärdaten, wie z.B. ecoinvent, GaBi oder Umweltbundesamt, abgleichen und darauf aufbauend lokale Emissionsfaktoren berechnen. Wenn die Datenbanken keine brauchbaren Daten liefern, sind Veröffentlichungen von Instituten bzw. Ministerien oder wissenschaftliche Publikationen die nächste  Alternative. Kommt man auch auf diese Weise zu keinen zufriedenstellenden Ergebnissen, empfiehlt sich auch hier wieder die Arbeit mit Schätzwerten.

    • Mangelnde Vergleichbarkeit
      Obwohl einige CO2-Standards verfügbar sind, ist es wenig praxistauglich, den Emissionswert von Stahl mit jenem einer Kaffeemaschine zu vergleichen, um aussagekräftige Benchmarks zu ermitteln. Hier stellt sich die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, sich vergleichbar machen zu wollen. Nach derzeitigem Erkenntnisstand liefert nur ein Vergleich innerhalb derselben Branche brauchbare Ergebnisse, wobei jede Datenbank auf anderen Berechnungsfaktoren beruht und diese relativ selten übereinstimmen.

    Maßnahmen bei Welser Profile zur Ermittlung des CO2-Footprints

    Wir haben gesehen: die Ermittlung des CO2-Footprints ist aus verschiedenen Gründen nicht immer einfach und stellt Unternehmen mitunter vor große Herausforderungen. Wie gehen wir bei Welser Profile mit der Tatsache um, dass wir unseren größten Emissionsfaktor, den zugekauften Stahl, bestens kennen, er zugleich aber unser täglich Brot ist? Ein nachhaltiger Umgang mit dem Material Stahl ist bei uns keine Zukunftsmusik, sondern Alltag und wir müssen uns stetig in unserer Zielerreichung verbessern. 

    Bei Welser Profile setzen wir zur Ermittlung unseres CO2-Footprints auf diese 4 Maßnahmen umgesetzt: 

    • Einführung eines Umwelt- und Energiemanagementsystems
      Wir haben ein Umwelt– und Energiemanagementsystem implementiert, in dem alle für die Ermittlung der betrieblichen CO2-Emissionen relevanten Informationen zusammenlaufen. Dies umfasst unter anderem Daten zu Verpackungen, Werkzeugstählen, Abfällen sowie Werks-, Hilfs- und Betriebsstoffen.

    • Aufbau von Wissen
      Basierend auf dem Geschäftsjahr 2019 haben wir über die letzten Monate mit sehr viel Aufwand und nach dem Learning by Doing-Prinzip eine interne Wissensdatenbank aufgebaut. Anhand dieser Grundlage konnten wir nun fundiertere Berechnungen vornehmen und unseren CO2-Footprint ermitteln. In Folge werden wir uns nun jene Bereiche ansehen, für die man Ziele zur Reduktion der Emissionen definieren kann und entsprechende Maßnahmen planen. Zur besseren Ermittlung der unternehmensbezogenen CO2-Emissionen ist darüber hinaus ein jährlicher Bericht geplant, der alle dafür relevanten Informationen zentral und nachvollziehbar zusammenfassen wird.

    • Einbindung von externem Know-how
      Gerade wenn man nach dem Learning by Doing-Prinzip neue Pfade beschreitet, ist ein regelmäßiger Blick von außen sehr wichtig. Bei Welser Profile lassen wir daher unsere Pläne und Maßnahmen von erfahrenen Experten gegenprüfen. So haben wir aktuell ein Kooperationsprojekt mit Ecoplus laufen, im Rahmen dessen uns Berater bei der Scope 3-Berechnung unterstützen sowie bei der Wahl des richtigen Emissionsfaktors.
      Gemeinsam arbeiten wir an der Beantwortung jener Fragen, die ganz spezifisch die Anforderungen unserer Branche bzw. unseres Unternehmens betreffen.

    • Baukastenprinzip für produktbezogenen CO2-Fußabdruck
      Für die Ermittlung des produktbezogenen CO2-Fußabdrucks entsteht derzeit ein Prozess, der im Laufe des Jahres 2024 validierungsfähig sein wird. Seine Grundlage ist die Einführung eines Baukasten Prinzips. Basierend auf Vorjahreswerten soll die Berechnung  unter Berücksichtigung folgender variablen Größen durchgeführt werden:  

      • Anlieferung des Vormaterials
      • Profilproduktion mit dem zugeordneten Energieverbrauch
      • verwendete Betriebsmittel
      • Transport unserer Profile zum Kunden


    Fazit: Kein aussagekräftiger CO2-Fußabdruck ohne Eigeninitiative

    Das Thema Klimaschutz und Nachhaltigkeit rückt immer schneller an die Spitze der betrieblichen Herausforderungen und wird dort, schon alleine wegen des Drucks durch den Gesetzgeber, nicht mehr verschwinden. Umso wichtiger ist es, dass Unternehmen jetzt selbst aktiv werden, sich eingehend mit der Thematik auseinandersetzen und notwendige Weichen für die Umsetzungsphase stellen. Learning by Doing ist dabei ein wichtiger Teil des Prozesses. Externe Berater können zwar wichtige Inputs liefern, ein interner Wissensaufbau ist jedoch für die Ausarbeitung neuer Standards sowie die Umsetzung diesbezüglicher Maßnahmen unerlässlich. 

    Mein Tipp:

    Sorgen Sie in Ihrer Organisation rechtzeitig für die notwendigen personellen Ressourcen. Datenbanken alleine reichen für die Berechnung des CO2-Footprints nicht aus. Es braucht Fachkräfte, die die richtigen Daten finden, entsprechend zusammenführen und auswerten. 

    Fangen Sie einfach einmal an, probieren Sie verschiedene Zugänge aus und tasten Sie sich immer weiter voran. Denn das einzige, was Sie wirklich falsch machen können, ist den Kopf in den Sand zu stecken und gar nichts zu tun. Alles andere ist schon ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. 

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