Maschinenbau: Wie sieht ein nachhaltiger Produktentwicklungsprozess aus?
Das Thema Nachhaltigkeit ist in aller Munde und begleitet uns ebenso im privaten wie auch beruflichen Umfeld zunehmend. Facebook-Postings von Friday for Future, der Nachhaltigkeitsbericht des eigenen Unternehmens, hitzige TV-Diskussionen zum Klimawandel und überraschende Geständnisse in der eigenen Familie, dass man in Zukunft nicht mehr fliegen oder keine Kaffeekapseln mehr verwenden wolle. Auch im Maschinenbau spielt Sustainability eine zunehmend wichtige Rolle. Erreichen lässt sich dieses Ziel u.a., indem man in der Konstruktion schon darauf achtet, dass die Maschinen langlebiger sind, mehrere Bearbeitungsschritte in einer Anlage integriert, Rohstoffe einspart, die Lieferkette beachtet und natürlich, indem man nachhaltigere Werkstoffe einsetzt.
Letztlich bleibt auch der Produktentwicklungsprozess davon nicht unberührt, denn der Ruf nach nachhaltigen Produkten wird in allen Branchen immer lauter. Mitunter allerdings leichter gesagt als getan, denn Werkstoffhersteller, Maschinenbauer, Anlagenbauer und verarbeitende Industrien sehen sich durchaus ernstzunehmenden Problematiken gegenüber. In diesem Beitrag möchte ich ein besonderes Augenmerk auf den nachhaltigen Produktentwicklungsprozess werfen und Herausforderungen sowie Lösungsansätze für die einzelnen Schritte auch mit Blick auf das Rollprofilieren aufzeigen.
Herausforderungen im heutigen Produktentwicklungsprozess
Je nach individuellen Anforderungen des einzelnen Unternehmens gestaltet sich der Produktentwicklungsprozess anders und mit unterschiedlichen Herausforderungen. Dennoch lassen sich einige übergreifende Aspekte herausstellen:
- Time to Market:
Neue Produkte kommen immer schneller auf den Markt, sodass der eigene Product Launch bei Konsumenten und Abnehmern oftmals stark beworben werden muss. Gleichzeitig drängen Mitbewerber aus aller Welt mit neuen Entwicklungen auf den Markt und sorgen für einen schweißtreibenden Konkurrenzkampf. Für entsprechend wichtig halten viele Entscheider die Verkürzung der Time to Market, die relativ schnell auch die Abteilungen für Produktentwicklung erreicht, wo sie mit Faktoren wie enge Budgetrahmen und fehlende Personalressourcen in Einklang gebracht werden muss. - Kostendruck:
Die fetten Jahre sind vorbei, wie so mancher Vorgesetzte gerne rezitiert. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen immer mehr Unternehmen ihre Produktentwickler dazu anhalten, kosteneffiziente Lösungen zu finden. Sei es durch Einsatz neuer Technologien, kostengünstiger Materialien oder automatisierter Prozess- und Produktionsschritte. - Gewichtseinsparungen:
Mit schlankeren Designs können Produktentwickler Gewicht und damit auch Material einsparen. In weiterer Folge lassen sich dadurch potentielle Prozessschritte und die Weiterverarbeitung vereinfachen, sodass entlang der Wertschöpfungskette weitere nachhaltige und kosteneffiziente Vorteile entstehen. Um allerdings innovative und kreative Lösungsansätze vorantreiben zu können, brauchen die Verantwortlichen das notwendige Hintergrundwissen, etwa über alternative Herstellungsmethoden inklusive ihrer Potentiale, neue Materialien und andere Möglichkeiten der Gewichtseinsparung. - Carbon Footprint:
Nachhaltig agierende Unternehmen achten auf den CO2-Fußabdruck Ihrer Produkte. Dieser misst die Menge an Treibhausgasen, die aufgrund bestimmter Aktivitäten oder Prozesse freigesetzt wird. Auch hier stehen Produktentwickler unter einem gewissen Zugzwang, um nachhaltige Produkte mit optimalem Carbon Footprint zu entwickeln. - Innovationsdruck:
Immer schnellere technologische Entwicklungen aus dem In- und Ausland erhöhen den Innovationsdruck auf Produktentwickler. Innovationsthemen im Unternehmen voranzutreiben und gleichzeitig unternehmensinterne Themen zu schützen und geheim zu halten wird zu einem herausfordernden Spagat. Denn Fortschritt findet nicht nur am eigenen Schreibtisch, sondern auch in gemeinsamen Entwicklungen mit Partnern statt, die Expertise und fachliches Knowhow in Spezialgebieten mitbringen. - Digitalisierung:
Digitalisierung und digitale Transformation zählen zu den Megatrends des 21. Jahrhunderts, doch sie stellen Organisationen und Anwender auch vor Herausforderungen. Mit Einführung eines neuen Tools beispielsweise ist auch immer ein hoher Zeit- und Kostenaufwand verbunden, sodass sich die Frage stellt, welche Software in die eigenen Strukturen implementiert und welche Angebote von externen Stakeholdern genutzt wird. - Rohstoffeinsparungen:
Nachhaltig zu produzieren bedeutet oftmals auch die Einsparung von Rohstoffen. Nicht nur aufgrund klimaneutraler Herangehensweisen, sondern auch um den evtl. hohen Materialverbrauch und damit verbundene Kosten zu senken.
Der nachhaltige Produktentwicklungsprozess in 6 Schritten am Beispiel eines Rollprofils
Jeder Produktentwicklungsprozess ist individuell, folgt aber auch einer gewissen Struktur. Als Experte für das Rollprofilieren möchte ich diesen am Beispiel von Rollformen näher beleuchten.
Schritt 1: Anforderungen
Am Anfang des Produktentwicklungsprozesses geht es darum, die Anforderungen an das neue Profildesign festzulegen und eine grobe Formidee zu entwickeln. Da Profile meist Halbzeuge sind, schauen sich die Vertriebstechniker an, wo das Teilstück in der Gesamtbaugruppe eingebaut und ob evtl. noch eine Lochung, ein Gewinde o.Ä. ergänzt werden kann.
Es ist durchaus sinnvoll, bereits in der Anforderungsphase Ihren Profilexperten zu kontaktieren, um erste Designvorschläge zu besprechen und evtl. neuen Input zu bekommen. Denken wir beispielsweise an ein Mehrkammerprofil, das nach ersten Entwürfen aus zwei Quadratrohren zusammengeschweißt werden soll. Die daraus entstehende doppelte Materialstärke ließe sich beim Rollprofilieren problemlos einsparen, was nicht nur Gewicht spart, sondern auch spätere Prozessschritte in der Weiterverarbeitung vereinfacht.
Schritt 2: Projektplanung
Im zweiten Schritt folgt direkt die Projektplanung mit fertigen Skizzen, auf deren Grundlage das Design von Spezialisten begutachtet wird. In dieser Phase wird auch ein Kostenüberblick erstellt, um diesen im gesamtheitlichen Produktentwicklungsprozess frühzeitig mitzudenken und so eine kosteneffiziente Lösung zu finden. Daraufhin folgt auch direkt eine passende Angebotsabgabe.
Auch hier ist der Austausch mit Spezialisten Ihres Vertrauens von Vorteil, denn sie können aufgrund langjähriger Erfahrung mit ähnlichen Anforderungen schnell Lösungen entwickeln, die mitunter Material, Gewicht und Kosten bei der Produktion Ihres Profils einsparen. Ein Spezialist für Rollformen wird Ihnen zum Beispiel direkt sagen können, dass in größeren Mengen produzierte Stahlprofile sogar günstiger sind als Aluminiumprofile.
Schritt 3: Konzepterstellung
Bei der Konzepterstellung wird das Profil genau unter die Lupe genommen und bei Bedarf werden Materialtests durchgeführt. Komplexere Profile lassen sich im Zuge der Machbarkeitsprüfung optimal mit einer dafür entwickelten Software simulieren. Diese 3D-Simulation sowie alle durchgeführten Tests und Auswertungen dienen als zuverlässige Basis für den folgenden Bestell- und Produktionsprozess.
In der Regel ist ein verarbeitendes Unternehmen mit speziellen Methoden stets auf dem neuesten technologischen Stand oder gibt den Stand der Technik sogar vor, etwa mit Dickenoptimierung oder kleinsten Radien bei Rollprofilen. Andererseits in Bezug auf die Produkte ihrer eigenen Vertriebspartner, z.B. besonders verschleißfeste oder ultrahochfeste Materialien von lokalen und bei Bedarf weltweiten Stahllieferanten aus aller Welt.
Schritt 4: Prototyp
Prototypen von Profilen, die im Maschinen- oder Anlagenbau benötigt werden, lassen Produktentwickler gern manuell von einem Schlosserbetrieb oder unter Zuhilfenahme eines 3D-Druckers herstellen. Bei Profilen lässt sich beispielsweise sehr einfach ein Kunststoffmodell in 3D ausdrucken, um zu testen, ob es in Optik, Form, Toleranz oder Funktion entspricht. Auf Kundenwunsch ist zwar die Produktion einer Nullserie auf der Anlage möglich, doch ist dieser Prozessschritt zumindest beim Rollprofilieren mit Kosten verbunden, da ausschließlich die Originalwerkzeuge zum Einsatz kommen.
Simulationen und Prototypen von komplexen Profilen sollten stets im Team besprochen und durchdacht werden, denn verschiedene Spezialisten vereinen einen hohen Grad an Hintergrundwissen und mehrere Blickwinkel. Beispielsweise kommen immer wieder neue Materialien auf den Markt, die aber bis dato nur wenige kennen und noch nicht getestet sind.
Schritt 5: Optimierung
Der Optimierungsschritt ist eine Art Sicherheitsschleife, die nur im Bedarfsfall angewandt wird. Rollgeformte Spezialprofile beispielsweise lassen sich mithilfe von Simulationen bereits optimal für die Produktion vorbereiten und designen, sodass eine Optimierung danach nicht mehr unbedingt notwendig ist. Dennoch kommt es immer wieder vor, dass in letzter Sekunde doch noch etwas perfektioniert wird.
Je nach Herstellungsmethode ist dieser Prozessschritt mehr oder weniger flexibel. Wenn etwa beim Rollprofilieren alle Werkzeuge selbst hergestellt werden, ist ein schnelles Reagieren just-in-time auf Designänderungen und mitunter sogar auf der Anlage noch möglich.
Schritt 6: Dokumentation
In ISO-zertifizierten Unternehmen (ISO 9001 oder IATF 16949) ist die vorschriftsmäßige Dokumentation im Produktentwicklungsprozess ganz klar geregelt und standardisiert. Hierzu zählen beispielsweise Maschinendatenblätter, wo alle Prozessparameter beschrieben und dokumentiert sind, um beispielsweise auch für Folgeproduktionen darauf zurückgreifen zu können
Fazit: Nachhaltiger Produktentwicklungsprozess 2023
Das Thema Sustainability hat mittlerweile fast alle Branchen und Abteilungen erreicht. Eine nachhaltige Produktentwicklung entlang der gesamten Wertschöpfungskette stellt die Verantwortlichen im Maschinenbau vor vielseitige Herausforderungen wie die Time to Market, Reduktion von Gewicht und Rohstoffen sowie digitale und technologische Innovationen. Da die besten Lösungen aber meistens im Team und im Austausch mit Experten gefunden werden, lohnt es sich, seine Partner bereits früh an Bord zu holen. Denn auf diese Weise schöpfen Sie potentielle Optimierungsmöglichkeiten der Materialien, Kosten und Prozesse optimal aus.
Weiterlesen
Ähnliche Artikel